01.02.23

„… eine Teilnahme am Cornulier wäre natürlich schon Wahnsinn.“

WETTSTAR-Experte Win E sprach mit Ronja Walter, der neunfachen deutschen Trabreit-Championesse. Mit ihren 27 Jahren hat sie schon viele beeindruckende Erfolge feiern können; herausragend natürlich ihre unglaublichen 68 (!) Siege mit Garry und nicht zuletzt auch die zahlreichen tollen Auftritte mit Zauni, mit dem sie nicht nur dreimal hintereinander das Monté-Derby in Berlin gewinnen konnte, sondern auch auf internationalem Parkett schon viele erfolgreiche Auftritte hingelegt hat.

Ronja WalterDeutsche Trabreit-Championesse
Kategorie: Rennbahn-Talk
Ronja, als Tochter eines Trabertrainers wurde Dir der Trabrennsport quasi in die Wiege gelegt. Wann entstand bei Dir der Wunsch, selbst auch aktiv am Rennsport teilzunehmen

Das müsste so ungefähr im Alter von elf oder zwölf Jahren gewesen sein. Meine Mutter hatte damals nicht nur an Trabfahren, sondern auch an Trabreiten teilgenommen.  Zu dieser Zeit habe ich dann auch angefangen, Pferde in der Arbeit zu reiten. Ich erinnere mich noch genau an die ersten drei: Cocopelly, Tinto und Kid Meadow – alle gewannen anschließend ihre Rennen. Ich denke, dass zu der Zeit bei mir der Gedanke gereift ist, irgendwann auch selbst einmal Rennen zu reiten.

War von Anfang an klar, dass es bei Dir ausschließlich das Trabreiten wird

Ich war schon früh der Meinung, dass man nur eines von beiden – also Trabfahren oder Trabrennen – auf sehr hohem Niveau ausüben kann. Dadurch, dass ich damals Dressur geritten bin, lag das Reiten für mich sehr nahe, und hierauf habe ich auch von Anfang an den alleinigen Fokus gelegt. Bereits im Alter von 12 bis 16 Jahren habe ich die Monté-Rennen intensiv verfolgt und auf mein Ziel hingearbeitet…

Also war es nicht nur Dein Talent, sondern auch harte Arbeit

Tatsächlich habe ich schon Jahre vor meinen ersten Rennen hart dafür trainiert. Es gab auch Zeiten, in denen es nicht so gut geklappt hat und ich bereits alles hinwerfen wollte. Letzten Endes wollte ich es aber so sehr, dass ich immer weitergemacht habe.

Mit 16 Jahren war es dann soweit: Du hast an den ersten Trabreiten teilgenommen. Wenn Du auf die ersten Jahre deiner Reiterlaufbahn zurückblickst: Gibt es einen Moment, der Dir besonders in Erinnerung geblieben ist

Es gibt viele schöne Momente, an die ich mich noch gut erinnern kann. Besonders herausstellen würde ich vielleicht den zweiten Platz in der Berliner Derbywoche mit Schimansky. Mit meinem erst zweiten Ritt einen zweiten Platz in der wichtigsten Rennwoche des Jahres zu erreichen – das war schon cool!

Mit dem Siegen wollte es zunächst noch nicht so häufig klappen. Eine Zeitlang schien es, Du seist auf zweite und dritte Plätze abonniert. Gab es so einen Moment, den Du heute als so etwas wie Deinen Durchbruch bezeichnen würdest

Das stimmt, einerseits war ich stolz auf meine Bilanz an Platzierungen, andererseits war es auch manchmal schwer, weil ich im Verhältnis dazu wirklich nur selten gewinnen konnte; und verlieren gehörte wohl auch nie zu meinen größten Stärken (lacht). Den einen entscheidenden Moment gab es wohl nicht. Ich erinnere mich aber noch genau daran, als ich in Hamburg mit Charom gewinnen konnte und nur einen Tag später mit At Full Speed in Wolvega. Das war schon so ein Moment, der mir mental richtig Auftrieb gegeben hat. Von da bin ich auch etwas lockerer an die Sache rangegangen, und die Siege kamen dann nach und nach von selbst.

2014 ging dann der Stern von einem ganz großen Monté-Pferd auf: Garry und Ronja Walter konnten gemeinsam unglaubliche 68 Siege erzielen. Die sportlich und finanziell bedeutenderen Rennen hast Du allerdings mit anderen Pferden gewonnen. Dennoch – Garry, das Pferd Deiner Karriere

Garry ist definitiv das Pferd, dem ich meine ersten Championate zu verdanken habe. Er war einfach der perfekte Satteltraber, mit dem ich quasi überall in Deutschland gewinnen konnte. Wir haben wirklich perfekt harmoniert. Zauni hat nicht die Anzahl an Rennen gewonnen, dafür aber die größeren Rennen – auch diese Möglichkeit hätte ich ohne Zauni nicht gehabt.

… er war für Dich sowas wie die Eintrittskarte für das internationale Parkett

Stimmt. Durch Zauni hatte ich die Chance, nicht nur regelmäßig im Ausland zu starten, sondern dort auch zu gewinnen oder zumindes regelmäßig vorne mit dabei zu sein. In vielerlei Hinsicht hat er mich ein Stückweit meine Träume wahr werden lassen …

Welche genau …

Wir haben die wichtigsten Rennen in Deutschland gewonnen, dazu etliche Male in Holland, in Belgien und nicht zu vergessen – natürlich in Frankreich. Aber nicht nur aus sportlicher Sicht war es eine tolle Zeit. Ganz besonders freut mich dabei, dass die beiden herausragenden Pferde meiner Karriere – Garry und auch Zauni – eben keine fremden Pferde waren, sondern beide von meinem Vater trainiert wurden; durch seine Arbeit sind sie erst zu den Pferden geworden, die sie später waren.

Auch für Deinen Vater Manfred waren das keine alltäglichen Erfolge

Das stimmt. Wir befanden uns auf einmal auf der internationalen Bühne. Etwas, das selbst für meinen Vater neu war. Wir tourten gemeinsam durch halb Europa und hatten fast überall Erfolg. Wir sprechen noch heute oft über unsere Ausflüge nach Frankreich, und es ist einfach schön zu sehen, mit welchem Stolz und welcher Freude auch mein Vater auf diese Zeit zurückblickt. Das war etwas ganz Besonderes, das für immer bleiben wird.

Was ist Dir bei Deinem ersten Ritt in Vincennes noch in Erinnerung geblieben, und wie bist Du in Frankreich aufgenommen worden

Also, ich kann mich noch erinnern, als ich in Vincennes geritten bin – und das werde ich auch nie vergessen – da ist Liina Aho [Anm. der Red.: eine schwedische Reiterin] zu mir gekommen, ohne dass ich irgendwas gefragt oder gesagt hätte und sagte zu mir: „Du reitest ja heute das erste Mal hier. Ich zeig Dir mal Alles“ – und sie zeigte mir tatsächlich alles. Ich fand das damals echt bewundernswert.

Und wie war es, plötzlich gegen die Superstars des europäischen Monté-Sports – wie Alexandre Abrivard und Eric Raffin – zu reiten

Natürlich hatte ich da am Anfang auch Respekt, aber im Rennen war ich inzwischen selbstsicher genug, sodass ich einfach meine Rennen geritten bin. Insgesamt ist in Frankreich das Niveau schon herausragend. Es wird einem kein Meter geschenkt. Schon am Start wird da ganz anders losgeritten, als ich es bis dahin gewohnt war. In Deutschland heißt es oft, dass ich schnell losreite – aber in Frankreich würde ich da niemandem auffallen (lacht).

Zurück zu Zauni: Im Juni 2021 zog sich Zauni im französischem Laval eine schwerwiegende Sehnenverletzung zu. Nach über anderthalb Jahren Pause gab er vor Kurzem, am 21. Januar, ein siegreiches und erstaunlich starkes Debut in Charlottenlund. Wie geht’s ihm, und gibt es schon wieder vorsichtige Zukunftsplanungen

Die Leistung in Charlottenlund hat mir wirklich gut gefallen. Durch meinen an dem Tag nicht so gut gelungenen Start hatte er eher 60 Meter als ursprünglich 40 Meter auf das erste Band gutzumachen. Dass er dieses Rennen nach so langer Pause dennoch gewonnen hat, zeigt einfach, was er für eine Klasse hat. Er hat dieses Rennen super weggesteckt und war auf der Koppel schon wieder fit, munter und sehr gut drauf. Bezüglich der Zukunftsplanungen werden wir versuchen, ein bis zwei Rennen im Monat zu finden, wobei es wohl auf Starts in Skandinavien hinauslaufen wird. Ich bin eigentlich guter Dinge, aber mit den Erwartungen müssen wir realistisch bleiben; er wird aufgrund seiner hohen Gewinnsumme wohl regelmäßig aus den Zulagenbändern starten. In Dänemark und Schweden ist es üblich, dass die gewinnreichen Pferde mit 20, 40 oder teilweise auch 60 Meter Zulage starten.

Wie bereitest Du Dich eigentlich in der Theorie auf ein Rennen vor? Wieviel Aufwand und Vorbereitung ist das für Dich, damit Du Deine Gegner so gut einschätzen kannst, dass Du davon im Rennen profitierst

In Deutschland habe ich mich früher sehr intensiv vorbereitet. Auch heute ist es noch so, dass ich von meinen Pferden, wenn ich sie das erste Mal reite, Rennen angucke – auch die im Wagen. Wenn es ein Bänderstart ist, gucke ich mir auch die Bänderstart-Auftritte meiner Gegner an. Der Zeitaufwand hängt aber auch davon ab, wie wichtig die Rennen sind – da muss ich auch mal ehrlich sein (lacht). Bei Engagements im Ausland schau ich mir im Vorwege immer die Formen an; ich schaue, welche Zeiten die Gegner gehen können, damit ich abschätzen kann, was ich gehen muss, um das Rennen zu gewinnen. Auch nehme ich ganz wichtige Rennen komplett auseinander: Da schau ich mir dann viele Starts der Gegner an – Bänderstarts, Autostarts. Gehen sie linksherum besser oder rechtsherum? Können sie starten oder nicht? Und ich überlege mir auf dieser Grundlage natürlich auch, wie der Rennfilm für mich ablaufen könnte.

Wie ist Deine körperliche Vorbereitung auf die Rennen? Man muss ja schon richtig fit sein, um auf Deinem Niveau reiten zu können

Weil ich recht häufig reite, bleibe ich eigentlich automatisch ganz gut in Form. Wenn ich eine Zeitlang wenig oder auch gar nicht geritten bin, dann kann ein Rennen natürlich sehr anstrengend sein. Als ich angefangen habe mit dem Trabreiten, habe ich auf alle Fälle mehr gemacht; jetzt gehe ich neben dem Reiten ab und an laufen – das mache ich aber auch einfach für die eigene Fitness.

Am 11. Februar wirst Du für Dein inzwischen 9. Deutsches Championat geehrt. Kam eine internationale Karriere als professionelle Rennreiterin für Dich nie in Frage? Angebote aus dem Ausland hat es doch bestimmt gegeben

Klar habe ich da auch schon drüber nachgedacht. In Frankreich zum Beispiel aber gibt es jede Menge sehr gute Reiterinnen und Reiter. Auch bringt dieser Job unweigerlich die tägliche Trainings- und Stallarbeit mit sich, und für mich war relativ früh klar, dass das Trabreiten für mich ein Hobby bleibt, das ich allerdings so gut und erfolgreich wie möglich ausüben möchte.

Boris Becker bezeichnet Wimbledon als sein Wohnzimmer. Welche Rennbahn würdest Du als Dein Wohnzimmer bezeichnen

Im Ausland hätte ich dazu keine Analogie. Die Rennbahn in Deutschland, auf der ich mich immer super wohl gefühlt habe, war Dinslaken.

Wenn wir nun auf die gesamten zwölf Jahre deiner bisherigen Rennkarriere zurückblicken: Was war Dein bisheriges Highlight

Trotz den Erfolgen, die ich auch im Ausland haben durfte, sind und bleiben es für mich die Monté-Derbys in Berlin. Das Monté-Derby war das Rennen, von dem ich schon als Teenager geträumt habe. Da mal später mal mitzureiten, war schon ein hochgestecktes Ziel. Dass ich dieses Rennen dann mit Zauni drei Jahre hintereinander gewonnen habe, ist noch heute etwas surreal.

Was wäre noch das eine Rennen, an dem Du gern mal teilnehmen würdest oder das Du gern einmal gewinnen würdest

Eine Teilnahme am Cornulier [Anm. d. Red.: Der Prix de Cornulier gilt weltweit als das bedeutenste Trabreiten des Jahres] wäre natürlich schon Wahnsinn. Allerdings halte ich das für so unrealistisch, dass ich mich das nicht mal zu träumen wage.

Ronja, Ich bedanke mich fürs Interview

War mir eine Ehre!