21.11.23

„Der Silberhelm wäre heuer das i-Tüpfelchen.“

Dass Christoph Schwarz ein großartiger Fahrer ist, das haben sich die Rennbahn-Insider schon vor 20 Jahren an der Barriere zugeraunt, als der gebürtige Salzburger noch bei Gerd Biendl arbeitet und fleißig in den Sulky stieg. In den vergangenen Jahren aber ging es mit der Karriere des Catchdrivers, der längst in München eine Heimat gefunden hat, raketenhaft Richtung Mond, ohne dass er selber je abgehoben hätte. Kaum einen Renntag in Bayern gab es heuer, an dem der 48-Jährige mit dem großen Fanclub nicht mehrmals auf die Siegerparade gegangen wäre. Der deutsche Silberhelm ist zum Greifen nah. Und nun, wo das Ziel so knapp vor Augen ist, wäre es schon ganz schön, deutscher Vizechampion zu werden, hat der Erfolgsfahrer im Interview verraten. Auf ein Glas Wasser traf er sich mit Rennbahn-Reporterin Melanie Bäumel-Schachtner auf der Straubinger Trabrennbahn zum Exklusiv-Interview. Dabei plauderte Chris Schwarz offen und ehrlich über seine Anfänge, seine Familie und warum er sich entschieden hat, den Trabrennsport nicht mehr hauptberuflich zu betreiben.

Christoph SchwarzProfi-Trabrennfahrer
Kategorie: Rennbahn-Talk
Herr Schwarz, Sie haben am Jahresanfang immer gesagt, Sie fahren ganz ruhig und unaufgeregt Ihre Rennen und schielen nicht auf irgendwelche Titel. Aber nun, da der Silberhelm so nah scheint, wollen Sie ihn sicherlich jetzt auch haben, oder

(lacht) Ja, jetzt, wenn man so kurz davor ist, wäre es doch sehr schön. Es wäre das i-Tüpfelchen eines tollen Jahres. Wenn man das ganze Jahr über vorne mitfährt, wäre das eine tolle Krönung.

Sie waren ja immer schon als guter Fahrer bekannt. Aber was ist passiert, dass Sie plötzlich siegen und siegen – auch mit Außenseitern

Letztes Jahr hat Racing-Manager Marcus Gramüller zu mir gesagt: ‚Nächstes Jahr fahren wir um den Silberhelm‘. Und ich habe geantwortet: ‚Ja, ja – träum weiter.‘ Ich war immer in den Top 10 der Berufsfahrer, aber ich habe noch nie darauf hingearbeitet, einen Helm zu bekommen. Marcus ließ sich aber nicht davon abbringen und hielt schon in den Wintermonaten ein Kontingent von Pferden bereit, mit denen wir dann auch viel gewonnen haben. Renntag für Renntag lief es dann super, und so hatten wir im März schon ein tolles Polster. Dass das dann das ganze Jahr über so anhält, hätte ich mir auch nicht gedacht. Na klar hat man als Fahrer auch mal einen schlechten Tag und gewinnt nichts, aber im Prinzip ging es immer so weiter, auch im Ausland. Auch in Wien oder Budapest gewannen wir dann oft zwei, drei Rennen, und so ist doch einiges zusammengekommen. Planen lässt sich das nicht.

Das heißt, es ist nichts Spezielles passiert, dass Sie nochmal so einen Sprung gemacht haben

Nein, eigentlich nicht. Am meisten habe ich eigentlich von den guten Pferden gelernt, die ich fahren durfte – schon bei Gerd Biendl. Schon da durfte ich richtig gute Rösser steuern, auch in den Zuchtrennen. Und mit guten Pferden lernt man es am besten. Wenn man mit denen dann Erfolg hat, dann kommen andere feine Pferde dazu. Und wenn man dann viel gewinnt, dann hat man auch den Respekt von anderen Fahrern. Die lassen einen dann auch mal vorbeiziehen.

Sie waren jahrelang bei ihm beschäftigt: Wieviel „Gerd Biendl“ steckt in Ihnen als Fahrer

Sehr viel. Beim Gerd habe ich das Rennen fahren an sich gelernt. Dass man immer ruhig fährt, nie unter Zwang, und wenn’s mal nicht so läuft unterwegs in einem Rennen, dann fährt man immer pro Pferd und denkt auch an die nächsten Rennen, die kommen. Das beherzige ich noch heute so. Außer, wenn es um viel Geld geht, dann muss und darf ich vom Pferd auch ein wenig mehr verlangen.

Sie sind ja gebürtiger Österreicher, sind in Salzburg aufgewachsen. Kamen Sie da schon früh in Berührung mit dem Trabrennsport

Ja, das war wirklich so. Meine Mutter hatte im Stadtteil, in dem die Salzburger Rennbahn lag, eine Wirtschaft. Da waren immer auch Rennbahner zu Gast und nahmen meine Eltern mit auf die Bahn. Und Schwuppdiwupp, schon waren sie Mitbesitzer. Ich war als Kind schon mit dabei, war auch immer dort, ich bin mit zehn Jahren schon mit Ponys gefahren und mit zwölf Jahren schon zum ersten Mal schnellgefahren.

Mit zwölf? Wie war das

(lacht) Echt lustig. Meine Eltern wussten nichts davon. Ich durfte den österreichischen Derbyzweiten Rapido Hanover Tempo fahren. Der war so unglaublich brav. Der zog mit mir seine Runden und ist mit mir selbst dann am Ende wieder von der Bahn gegangen, er hat alles alleine gemacht. Und ich habe gemeint, ich bin der Größte und das hab alles ich gemacht.

Und wie ging’s dann weiter? Waren Sie Amateurfahrer

Ja, genau. Ich war Amateur und hab mit meinem Vater unsere stets zwei, drei Starter trainiert. Da waren wir schon recht erfolgreich. Los ging’s aber mit einem Gästefahren, als ich 16 war. Da habe ich voll Feuer gefangen.

Wie ist das Gästefahren ausgegangen

Ich habe gleich gewonnen. Und dann war ich nicht mehr zu bremsen. 1994 habe ich bei Helmut Obermeier zu lernen begonnen. Ich habe meine Leidenschaft zum Beruf gemacht, auch, wenn meine Eltern nicht so begeistert waren, die dachten, ich sollte eher etwas Solides lernen wie Hufschmied und den Sport nebenbei machen. Aber ich war damals schon stur (lacht). So war ich zwei Jahre bei Helmut Obermeier und ging dann zu Werner Berg. Da durfte ich alle im Stall fahren und auch schon tolle Pferde wie Nolan King im Hunyady. Nach kurzen Aufenthalten bei Jochen Haide und Herbert Strobl hab ich schon mit dem Gedanken gespielt, auf der Rennbahn aufzuhören, wenn Gerd Biendl mich nicht nimmt. Er hat mich aber dann im zweiten Anlauf doch genommen, und ich war fast 14 Jahre bei ihm. Das war die Zeit, in der ich unglaublich viel gelernt habe. Wie gesagt, ich durfte damals richtig gute Pferde fahren. Ich habe auch damals schon große Rennen gewonnen, zum Bespiel mit Tosca Victory und Top of the Rocks. Eines der ersten Highlights war der Sieg im Bayerischen Zuchtrennen mit Quel Pin. Über die letzten zehn Jahre durfte ich auch mit Trainer Manfred Schub viele Erfolge feiern und habe mit seiner Hilfe sogar zweimal Bahnchampion in Straubing sein dürfen und war auch bayerischer Champion. Auch Manfred Schub hat dazu beigetragen, dass ich viele Chancen bekam, und ich habe ihm einiges zu verdanken. Gemeinsam haben wir viel Erfolg gehabt über einen langen Zeitraum.

Und wie stark freut man sich über einen Derbysieg in Österreich, der Ihnen ja mit Heck M Eck und M Eck Enroe 2021 und 2023 gelang

Sehr stark. Ein Derby ist ein Derby, egal, in welchem Land. Es ist einfach etwas Besonderes für alle Beteiligten, vom Pfleger bis zum Besitzer und natürlich auch für den Fahrer. Es ist ein Rennen mit einem ganz eigenen Flair, und wenn man sowas gewinnen kann, dann fährt man auch vorne mit.

Und dennoch haben Sie beruflich streng genommen der Rennbahn den Rücken gekehrt und vor Jahren bei der Brauerei Augustiner zu arbeiten begonnen. Wie kommt’s

Die Situation im Trabrennsport ist nicht einfach, auch, wenn man immer hofft, dass es wieder besser wird. Ich hatte nie einen Mentor, der mir zehn Pferde gegeben hätte oder eine Anlage in Aussicht, und ich hätte als Trainer einfach sehr viel investieren müssen, was ohne einen entsprechenden Hintergrund einfach schwer war. Zur schwierigen Situation im Sport kam, dass ich meine Frau und meinen Sohn kaum gesehen habe. Man ist ja 14 Stunden im Stall oder bei Rennen, und ich habe meinen Buben kaum aufwachsen gesehen. Im Familienrat haben wir entschieden, dass sich was ändern muss.

War das schwer für Sie

Ja, total. Man verlässt diese Blase auf der Rennbahn, diesen Mikrokosmos, und hat es mit ganz anderen Leuten und einer ganz anderen Umgebung zu tun. Am Anfang habe ich gedacht, ich hör wieder auf, ich schaff es nicht. Aber dann ging es besser, und nun ist es total gut, und ich habe nicht eine Sekunde bereut, dass ich das gemacht habe. Wir haben ein tolles Familienleben und einen wunderbaren Sohn, ich habe das Gefühl, dass alles total richtig war.

Wie alt ist Ihr Sohn, und verfolgt er auch die Rennen

Er ist 18. Ja, und es interessiert ihn auch total. Er fragt mich immer, wo ich heute wieder fahre und schaut sich dann auch die Rennen an. Auch, wenn Freunde dabei sind und ich starte, dann zückt er das Handy und sie sehen dann gemeinsam zu. Die Freunde finden dann immer total cool, was sein Papa macht. Es freut mich sehr, dass meine Familie so hinter mir steht, auch meine Frau, die ja selbst einen Reitstall betreibt. Das gibt mir sehr viel Rückenwind.

Und Ihre Frau und Ihr Sohn fiebern sicher jetzt noch mit beim Jahresendspurt um den Silberhelm, genauso wie die bayerischen Traberfans. Wenn es gelingt – wollen Sie diesen Silberhelm dann im nächsten Jahr verteidigen

Verteidigen ist immer schwierig. Und sowas lässt sich auch nicht planen. Was man aber schon sagen muss: Der Stall Gramüller hat eine unglaublich große Qualität an Jungpferden. Wir haben großartige Zweijährige verschiedener Nationalitäten qualifiziert. Wir versuchen, weiter gute Arbeit zu machen und werden auf jeden Fall auch 2024 unser Allerbestes geben. Und dann schauen wir mal!