01.10.23

„Ich bereue überhaupt nicht, dass ich diesen Beruf gewählt habe.“

Was für eine Lebensbilanz: 6.954 Siege bei 17.394 Fahrten. Eine Siegquote von 40 Prozent. Zweimal das Derby gewonnen und unzählige Zuchtrennen im In- und Ausland. Heli Biendl ist auf der ewigen Bestenliste der deutschen Trabrennfahrer auf Platz zwei, gleich hinter Heinz Wewering, und so schnell auch nicht mehr zu toppen. Auch, wenn er jetzt keine Rennen mehr fährt und auch das Kapitel Rennleitung ein bisschen unselig abgeschlossen ist, auch, wenn manches zum Schluss nicht optimal gelaufen ist im Sport, wie er selber sagt: Spricht er über seinen geliebten Sport, dann blitzen seine Augen und Heli Biendl sprüht vor Humor, reiht Anekdote an Anekdote. Melanie Bäumel-Schachtner war mit ihm auf ein paar Cappuccini im Eiscafé und plauderte für Wettstar mit der Legende auch darüber, dass ihm nun eine besondere Ehre zuteilgeworden ist: Er ist kürzlich in die „Hall of Fame“ des deutschen Trabrennsports aufgenommen worden und schon allein deshalb im Sport unsterblich.

Helmut (Heli) BiendlTrabrenn-Legende
Kategorie: Rennbahn-Talk
Am 16. September sind Sie in München feierlich in die „Hall of Fame“ des deutschen Trabrennsports aufgenommen worden. Wie war’s

Es war eine sehr schöne Sache, dass man für seine ganze Arbeit geehrt wird. Eine sehr würdige Veranstaltung war das, von Sascha Multerer gelungen moderiert. Ich durfte einige Menschen einladen und es gab auch ein Wiedersehen mit vielen Weggefährten, es war wirklich sehr unterhaltsam. Besonders die Anekdoten von Günther Lühring fand ich sehr witzig. Schön war’s, es hat viel Spaß gemacht.

Aber es gibt nun für Sie offensichtlich auch ein Leben nach dem Trabrennsport

(lacht) Na klar! Aber Spaß beiseite. Das mit der Rennleitung habe ich am Anfang gerne gemacht. Aber wie man zum Schluss mit mir umgegangen ist, war ohne Worte.

Sie sagten ja, Sie wollten mit dem deutschen Trabrennsport nichts mehr zu tun haben. Wirklich

Ja, das hab ich gesagt, und das tut mir im Nachhinein leid. Der Trabrennsport kann nichts für seine Leute und dafür, dass die Führungsspitze des HVTs nicht hinter mir gestanden sind und mir in den Rücken gefallen ist. Die Art und Weise, wie ich entlassen wurde, war sowas von beschämend.

Aber Sie haben also mit dem Sport nicht völlig abgeschlossen. Schauen Sie noch Rennen

Ganze Renntage nicht, aber wenn große Rennen sind, dann schon, und ich schaue auch die Rennen einzelner Pferde, die mich interessieren. Auch in Frankreich schaue ich ausgewählte große Rennen an, mich interessieren vor allem auch die bekannten Züchter.

Aber es gibt kein Heli Biendl-Comeback

Wenn, dann nur als Zuschauer. Irgendwann fahr ich schon wieder zur Bahn. Zum Derby ganz bestimmt einmal wieder, wenn es passt.

Aber kein echtes Sulky-Comeback

Nein, seit ich aufgehört habe, saß ich kein einziges Mal im Sulky, auch nicht im Fohlenwagen. Das mache ich auch nicht mehr. Wenn ich mich reinsetze, dann kann ich wieder nicht aufhören, ich will dann wieder fahren. Aber neulich hätte ich beinahe zwei Pferde gekauft.

Echt? Traber

(lacht) Nein, Minipferde. Die waren in der Zeitung inseriert, und ich fand sie so schön, dass es mich direkt in den Fingern gejuckt hat. Aber ich hab’s dann doch nicht gemacht. Dann sind wir wieder so festgelegt daheim und können so schlecht wegfahren.

Was bedeutet das jetzt für Sie, dass Sie in der „Hall of Fame“ sind

Ich hoffe doch nicht, dass ich jetzt deshalb bald sterben muss (lacht). Aber ernsthaft, es ist schon eine große Ehre. Übrigens war ich schon in der echten „Hall of Fame“ in den USA, als dort der Isenburger gestartet ist.

Sie haben ja jetzt eine gesunde Distanz zum Sport. Was sollte sich ändern

Was mich stört, ist, dass der Sport sich immer mehr vom Publikum entfernt. Ich habe das Gefühl, dass manche Vereine zum Teil gar keinen Wert mehr darauflegen, dass Leute auf der Bahn sind. Der Sport müsste wieder näher an den Menschen. Es driftet alles so auseinander.

Aber zum Glück gibt’s nicht nur die Tiefen im Sport, sondern auch die Höhen. Davon haben Sie ganz bestimmt genug erlebt. Was war für Sie besonders schön

Der erste Sieg war einfach unglaublich toll. Er ist mir als Amateur mit 16 Jahren mit Ingenieur gelungen. Ingenieur war noch sieglos, und ich auch. Deshalb hatten wir beide 40 Meter Vorgabe. In erster Linie bin ich diesem Sport dankbar, dass ich so viel erlebt habe, dass ich so viele Menschen kennenlernen durfte, und dass ich so viel herumgekommen bin. Ohne Trabrennsport hätte ich das alles nie erlebt mit meiner Schulbildung, ich wäre am Straubinger Stadtplatz geblieben.

Also keinerlei Bedauern, dass Sie nicht was Anderes gemacht haben

Nein, überhaupt nicht. Ich wollte nie etwas anderes werden, schon als Kind nicht. Mein Bruder hatte eine Eisenbahn. Ich hatte eine Rennbahn aus Gips und Pferdefiguren und hab dann immer am nächsten Tag die Rennen nachgespielt. Einmal hätte ich fast von meinem Vater eine Ohrfeige bekommen, weil ich nachgespielt habe, wie unsere familieneigene Lilli B ein Stichfahren in Regensburg verloren hat. Das fand er überhaupt nicht lustig.

Aber umso lustiger sind manche Dinge, die Sie erlebt haben, oder

Ja, wirklich. Ich könnte endlos erzählen. Mit dem familieneigenen Mickie Hanover, Sohn von Lilli B, habe ich an einem Tag ein E-Springen geritten. Am nächsten Tag hat er in Daglfing gewonnen.

Hat man in seiner Trainerlaufbahn auch immer wieder Lieblingspferde

Ja, natürlich. Die kommen und gehen aber auch natürlich, wie es halt im Sport so ist. Natürlich mag man die, die viel gewinnen, sehr gerne. Aber es gibt auch so heimliche Lieblinge. Einer von ihnen war Paladin, den mein Vater von Herrn Stumpf bekam. Er war ein wunderschönes Pferd, mit dem ich zwölf Rennen in Folge gewonnen habe. Meine Mutter fuhr fast nie mit auf die Rennbahn. An einem Tag aber war sie in Daglfing dabei. Ausgerechnet da ist er mir am Start gesprungen und hat 100 Meter Boden verloren. Gewonnen haben wir trotzdem. Aber dann lange nicht mehr. Da habe ich gelernt, dass Nachfahren das allerschlimmste ist für ein Pferd. Wenn ein Pferd springt, dann ist das Rennen vorbei, ganz einfach.

Ihr erstes Erfolgspferd war Robbyno. Wie ist seine Geschichte

Ja, den hab ich dreijährig bekommen. Ich war gerade in Paris bei Jean Réné Gougeon und bekam einen Brief, wenn ich am 15. März da bin, dann bekomme ich ihn ins Training. Eigentlich hätte mein Stipendium noch bis April gedauert, aber ich bin zurückgekommen.

Und sicher haben Sie auch das nie bereut

Ganz bestimmt nicht. Ich habe vierjährig mit ihm gleich den Deutschlandpokal gewonnen. Damals war ich 21. Er hat jedes Jahr ein großes Rennen gewonnen, das Matadorenrennen und so weiter. Volles Programm.

Aber nicht das Derby

Nein, dreijährig ging er nichts. Er war mit drei so schwierig, dass ich ihn schon aufgeben wollte. Er ist überhaupt nicht getrabt. Ich habe ihm dann die Eisen runtergerissen. Barfuß war es dann ein wenig besser. Und dann bin ich draufgekommen, dass ich vorne Plastikeisen draufmache. Ab da ist er gegangen.

Gab’s da überhaupt schon Plastikeisen

(lacht) Kaum. Die ersten Plastikeisen hat mein Lehrherr Richard Haselbeck in einer Fabrik für sich selbst produzieren lassen. Von ihm habe ich unendlich viel gelernt und ihm auch so viel zu verdanken. Er hat mich nur deshalb in die Lehre genommen, weil ich ihm versprochen habe, nach der Lehrzeit ins Ausland zu gehen. Das habe ich auch gemacht. Und das war genau richtig. Nach einem Praktikum bei Hans Frömming in Italien bin ich zu Réné Gougeon nach Frankreich gegangen. Dafür hatte ich ein Stipendium.

Und da haben Sie sicher viel gelernt

Auf jeden Fall. Von Frömming habe ich mir viel erklären lassen und ihn auch viel gefragt. In Frankreich habe ich wegen der Sprache nicht viel verstanden. Aber ich habe zugesehen, habe mir alles abgeschaut. Denn eines hat Hans Frömming mir beigebracht: „Du musst mit den Augen stehlen.“ Also immer genau hinsehen, von den Guten das Gute übernehmen. In Frankreich etablierte sich gerade Groisbois. Und ich habe von dort daher die Erkenntnis, dass die Pferde weg müssen von der Rennbahn, dann haben sie noch viel mehr Potenzial. Deshalb kann ich jedem nur raten, eine Ranch auswärts zu betreiben. Ich habe die Pferde auch schwimmen lassen. Am meisten gelernt aber habe ich von Josef Berger aus Großenpinning.

Tatsächlich? Wie kommt’s

Das war ein Pferdeversteher durch und durch. Ein unglaublicher Pferdemann. Ich hatte das Glück und durfte für ihn Pferde trainieren, als er so krank war. Auch Simmerl habe ich zum Schluss trainieren dürfen, im Rennen hat ihn dann immer Rolf Luff gefahren.

Was erinnert Sie am meisten an Simmerl

(lacht) Mein Oberarm. Simmerl hat mich damals gebissen. Die Narbe sieht man heute noch.

Eine Narbe von einem Biss vom Simmerl hat auch nicht ein jeder

Das stimmt. Weil alle anderen, die er gebissen hat, leben schon alle nicht mehr!