Ein Foto, ein Video geht derzeit um die ganze Welt des Trabrennsports. Ob in Schweden, in Dänemark, in den USA oder in Frankreich: Fast jeder Rennsportverrückte hat das Bild gesehen, auf dem die junge Berliner Amateurfahrerin Anna-Lisa Kunze höchst elegant am Flügel des Mariendorfer Startautos hängt, während ihr Pferd Troublemaker erst untendrunter durchgetaucht und von der Bildfläche verschwunden ist. Ein genialer Stunt und eine couragierte Aktion, für die Anna-Lisa Kunze unzählige Menschen Respekt gezollt haben. Passiert ist das Ganze am Samstag in einem Trabreiten im Rahmen des Renntags mit den Vorläufen zum Stutenderby. Alle reden also über Anna-Lisa Kunze – und Melanie Bäumel-Schachtner hat mit ihr geredet. Im Wettstar-Interview erzählt sie ganz cool und mit sehr viel Humor, wie das alles abgelaufen ist.
Mir ging’s schon am Samstag gut und mir geht’s auch jetzt gut. Mir ist nichts passiert. Für mich war das alles gar nicht so spektakulär, sondern es war eher ein Reflex. Troublemaker ist auch in Ordnung. Er war brav, er ist zwei, drei Runden gerannt und dann ist er zu Robbin Bot hingelaufen, der ihn einfangen konnte.
Es gibt in Berlin-Mariendorf einen alten Startwagen. In Hamburg haben sie einen, der fährt automatisch los, so dass man nicht selbst Gas geben muss. In Mariendorf fährt der Startwagen daher nicht immer so flüssig los. Das ist normalerweise nicht so ein Problem, aber Troublemaker läuft ohne Scheck. Dafür ist das Pferd bekannt, natürlich auch in Bayern. Wenn man ihn zurückhält, dann nimmt er den Kopf runter. Es war am Samstag eine Reihe von doofen Vorfällen, quasi eine Verkettung unglücklicher Umstände. Ich habe hinterm Auto schon extra Abstand genommen, aber er nahm den Kopf runter und in dem Moment kam uns der Flügel entgegen. Und schon hing ich dran!
Ja, genau, der tauchte drunter durch, was eigentlich ein Glück war, denn so wären wir vielleicht alle beide gefallen, der Flügel hätte entweder ihn am Kopf getroffen oder mich und dann wären wir im schlimmsten Fall beide gestürzt. Dem Pferd kann man absolut keinen Vorwurf machen.
(lacht) Das war so ein flüssiger Ablauf, genauso, wie es im Video zu sehen ist. Ich habe die Zügel losgelassen, die Peitsche hatte ich noch in der Hand, und dann habe ich nach dem Flügel gegriffen. Aber der Fahrer war wirklich nett, er hat das sofort gemerkt und hat angehalten, so dass ich runterhüpfen konnte.
Ich habe bis heute keine Angst. Ich hatte vor Jahren mal eine doofe Situation in einem Trabreiten, da wollte ich danach kein Rennen mehr reiten. Ein paar Leute haben mich aber überredet, wieder in den Sattel zu steigen. Oh Mann, ich wäre so gerne mitgeritten, ich hatte so Bock auf Troublemaker und er hat sich auch im Heat so wahnsinnig gut angefühlt. Es haben mich ein paar Leute angesprochen, warum man ihn ohne Scheck reitet, aber er geht immer ohne Scheck und er nimmt den Kopf nie böse runter. Und in diesem Fall war es sogar ein Riesenglück, dass er ihn runtergenommen hat, denn sonst hätte uns wohl der Flügel getroffen. Wir hatten alle beide wirklich ein Riesenglück!
Ja, genauso war’s – mein Facebook ist explodiert. Das Foto und das Video ist anscheinend auf jeder Seite, in Schweden, in Dänemark, überall.
Ich fühle mich überhaupt nicht als Heldin. Also ehrlich gesagt hätte ich lieber mit einer guten Leistung geglänzt. Na ja, auf jeden Fall kennt mich jetzt jeder (lacht).
Ich bin 26 Jahre alt und Friseurmeisterin aus der Nähe von Berlin. Meine Familie hat in der Nähe von Ludwigsfelde einen Hof, wo wir unsere Pferde haben. Dort habe ich als Rentner den Falco, den so viele kennen, der Hans Sinnige gehört hat und mit dem ich einige Rennen gewinnen durfte für ihn. Und unseren Lorenzo Idzarda, den kennen auch viele, diesen etwas hitzigen Schwarzen. Ich fahre Rennen, seit ich 16 bin, und bin mit neun Jahren zum Sport gekommen.
Genau, dank Troublemaker habe ich nun 25 Siege, sonst wäre ich gleich am Sonntag nochmal mitgefahren.
Das kann ich gar nicht so genau sagen. Ich glaube, es ist, weil ich nie um Fahrten betteln würde. Deshalb fahre ich oft formschwächere Pferde und es sind auch Pferde dabei, von denen die Besitzer glauben, es sei gut, wenn sie mal eine Frau fahren würde. Und so groß ist die Auswahl an Amateurfahrerinnen in Berlin ja auch nicht. Ich versuche dann immer, das Beste daraus zu machen und manchmal klappt es dann auch, dass man gut platziert ist. Dadurch kommen immer wieder weitere Fahrten.
Ja, auf jeden Fall! Ohne Falco würde mich keiner kennen. Er hat mir wirklich so manche kleine Tür geöffnet. Durch ihn kam ich auch an die Fahrten von Thunder Jet und Diakan CR und konnte einige Rennen mit den beiden Pferden gewinnen.
In zwei Wochen finden im Rahmen des Derbymeetings wieder zwei Trabreiten statt. Und wenn ich da gefragt werde, dann würde ich mich freuen und reite selbstverständlich wieder mit. Vielleicht auch Troublemaker, da muss man mal sehen, wie er das Ganze verkraftet hat.
(lacht) Ja, auf jeden Fall! Dann, so hoffe ich, trennen sich unsere Wege nicht wieder vorher!
Bildnachweis: Anna-Lisa Kunze bei ihrem Stunt am Startwagen. Screenshot: Facebook