„Mit Spaß kommt der Erfolg.“
Es war im Jahre 2006, als eine aus Niederbayern auszog, um in Schweden ein Pferd zu trainieren. Eigentlich hätte Sybille Tinter nach drei Wochen wieder heim nach Straubing kommen sollen. Doch die Tochter des früheren Straubinger Erfolgstrainers leckte Blut im Land der Elche. Sie wurde Trainerin. Heute, fast 20 Jahre später, kann die 42-Jährige mit Fug und Recht behaupten, in Schweden Fuß gefasst zu haben. In der Nähe von Romme, wo sie 2023 Trainerchampion wurde, hat sie ihr Trainingsquartier aufgeschlagen und schickt von dort aus ihre Schützlinge höchst erfolgreich in die schwedischen Prüfungen. Was ihren Erfolg der Frau in „Grön“ ausmacht, nach welchem Konzept sie trainiert und dass nun bald ein Umzug ansteht, darüber hat Sybille Tinter mit Melanie Bäumel-Schachtner während der abendlichen Fütterungszeit bei sich im Stall am Telefon ausführlich geplaudert.
Mit einer Traberfamilie im Hintergrund war das alles möglich. Mein Papa Klaus Kern hat mich 2006 mit Shippendale nach Schweden geschickt. Ich sollte drei Wochen bleiben. Aber ich habe mich dort so wohl gefühlt. Also habe ich meine Trainerausbildung gemacht und einen Stall aufgebaut.
Ja, ich war schon in Frankreich und in Italien, aber an Schweden hat mir gefallen, dass das Land den besten Tierschutz hat. Hier wird am besten mit den Tieren umgegangen. Ich glaube, wenn es den Pferden gut geht, dann sieht man das auch auf der Rennbahn. Meine Pferde sind etwas pummeliger und laufen trotzdem.
Ja, bislang noch. Ich bin hier leider gekündigt und muss demnächst umziehen. Ich werde bald eine Entscheidung treffen.
Wegen Eigennutzung, die Besitzerin braucht Platz für mehr eigene Pferde.
Ja, mehrere Angebote. Ich war letztes Jahr Trainerchampion in Romme. Das sind Meriten, die mir helfen. Egal, wo ich anrufe, jeder möchte mich haben und ich kann mich noch nicht ganz entscheiden. Grundsätzlich hatte ich hier ein Konzept, das funktioniert. Aber Thorsten Tietz hat mich erinnert, dass ich vorher ja auch auf einem anderen Hof trainiert habe und auch damals die Hälfte meiner Starts gewonnen habe.
Ich setze auf individuelles Training, zugeschnitten auf jedes einzelne Pferd. Es braucht viel Spaß für die Pferde. Und ich mag starke Pferde. Ich trainiere gerne bergauf. Viele Pferde schaffen das Pensum am Anfang gar nicht, aber das kommt mit der Zeit und sie werden dann immer stärker.
Spaß ist wichtig, auch für die Fahrer. In Deutschland werden Brotzeiten ausgefahren. Wer als erster mit seinem Pferd irgendwo ist, der bekommt vom anderen eine Brotzeit.
(lacht) Na klar! Wir wetten, wer am schnellsten den Berg raufkommt, natürlich mit absoluter Rücksichtnahme auf die Pferde. Das macht den Fahrern Spaß und auch den Pferden. Es soll allen gleich großes Vergnügen bereiten.
Ich arbeite viel mit meinen Eltern. Das ist nicht immer einfach, aber auch, wenn manchmal diskutiert wird, sind wir ein tolles Team. Meine Schwester Sonja ist derzeit in der Zuchtabteilung von Stefan Melander. Sie fühlt sich da sehr wohl, mal schauen, ob es ihr dann auch noch so viel Spaß macht, wenn in der Nacht die Fohlen auf die Welt kommen (lacht). Ich habe noch einen Lehrling und eine Angestellte, die mich unterstützen.
Im Moment sind es 14. Ich habe so gut wie gar keine schwedischen Besitzer, sondern vor allem deutsche. Viele deutsche Pferde haben mit höherer Gewinnsumme keine regelmäßigen Rennen mehr in Deutschland. Das kommt mir zugute – ich bekomme immer echt tolle Pferde. Von Thorsten Tietz kommen auch immer wieder junge Pferde, auch für Jahrgangsrennen. Neu wird Dahlia Brodda kommen. Durch den Winter brachten mich Netflix und Miramax BR. Ich habe Teatox ins Training bekommen und Idefix, und beide werden mich gut durch den Sommer bringen. Auch Chimichurri kommt am Wochenende. Ich habe tolle Pferde. Viele Trainer könnten sich danach die Finger abschlecken.
Ja, auf jeden Fall. Thorsten ist mein Mentor und gibt mir ganz viel Support. Er gibt mir das Vertrauen und gute junge Pferde. Ich bin sehr stolz darauf, es ist nicht leicht, hinter Thorsten Tietz herzutrainieren. Ich halte unglaublich viel von ihm. Ich habe meinen Jährling bei ihm stehen und sehe: Er hat immer einen Plan.
Das tue ich auf alle Fälle. Ich würde mich zum Beispiel nie mit einem Rudi Haller messen. Letztes Jahr war ich in Berlin beim Derby. Ich sah einen Bekannten aus Straubing, bei dem ich als Kind immer war, auf einer Bank sitzen und hab mich kurzerhand dazugesetzt und mit ihm geplaudert. Der hat sich dann gewundert, dass ich mich überhaupt noch mit ihm unterhalte und mich zu ihm setze. Da war ich ganz verwundert, warum ich das nicht tun sollte. Aber mir ist dann bewusst geworden, dass ich die Rolle gewechselt habe und jetzt Trainerin in Schweden bin. Das war das erste Mal, dass ich darüber so intensiv nachgedacht habe.
Ich muss wirklich sagen, ich bin mittlerweile in Schweden heimisch nach so langer Zeit. Ich spreche auch fließend Schwedisch.
(lacht) Da muss ich direkt überlegen. Das Hirn ist echt faul, es nimmt immer die einfachste Möglichkeit wahr, zu denken und zu sprechen. So kommt es auch, ganz witzig ist das, dass ich bei einer Gruppe aus deutschen und schwedischen Menschen immer mal mit einem Deutschen Schwedisch rede und mit einem Schweden Deutsch.
Da ich umziehen muss, ist das ein wenig in der Schwebe. Aber im letzten Jahr haben meine Pferde fast drei Millionen schwedische Kronen (nicht ganz 300.000 Euro, Anm. d. Red.) erreicht. Es wäre cool, das wieder zu schaffen. Eine wichtige Motivation ist aber auch, dass sich die Besitzer wohlfühlen und die Pferde Spaß haben. Mit Spaß kommt der Erfolg. Bei den Besitzern gehe ich darauf ein, was sie möchten. Der eine möchte mehr Geld gewinnen, der andere mehr Rennen, der dritte braucht manchmal ein offenes Ohr und eine kleine psychologische Betreuung. In jedem Fall bin ich froh, dass der Winter vorbei ist. So viel Eis, Schnee und Kälte habe ich bislang noch nie erlebt wie heuer.
Schon sehr kollegial. In Schweden ist nie jemand unfreundlich, aber vieles bleibt manchmal ein wenig an der Oberfläche. Allerdings: In Bayern herrscht im Sport oft Neid. Das gibt es in Schweden nicht. Wer gratuliert, der meint das ehrlich.
Ja, mein Papa Klaus Kern. Er ist mein Held. Und bis vor einem Jahr hätte ich auch gesagt, Robert Bergh. Es war toll, wie er junge Pferde aufgebaut und über die Jahre erfolgreich vorgestellt hat. Aber im Moment ist bei ihm echt der Wurm drin, leider. Vorbilder sind für mich Trainer, die gut zu Pferden sind. Denn bei manchen ist der Preis für den Erfolg sehr hoch. Das ist nicht meine Philosophie.
Ja, exakt. In Schweden braucht man nicht nur gute Pferde, sondern auch viel Glück. Aber glücklicherweise geht’s im Stall Sybille Tinter auch heuer weiter mit tollen Pferden wie Teatox, in Kürze auch Idefix und Miramax BR. Auch Gerhard Sporer bringt mir immer wieder tolle Pferde. Pandroklus Eck hat im Winter toll agiert. Hot Dansk Dynamite ist in großartiger Form und hat nach unmöglichen Rennverläufen gewonnen. Es rollt, es rollt!