„Pferde müssen gern laufen!“
Willi Rode ist nicht weniger als eine Trabrennsport-Legende: Zweifacher Deutscher Champion der Berufsfahrer, zweifacher Derbysieger als Fahrer und einmal als Trainer, Erfolge in vielen weiteren großen Rennen in Deutschland und ganz Europa, Dritter der ewigen deutschen Fahrerrangliste mit unglaublichen 6.953 Siegen.
Anlässlich seines 85. Geburtstags im März unterhielt sich unser Experte Fabs mit ihm über Privates, seine aktive Zeit als Fahrer und Trainer, die Zukunft des Trabrennsports und mehr.
Vielen Dank! Ausnahmsweise konnte ich meinen Geburtstag nicht richtig feiern, denn ich habe ihn in der Rehaklinik am Berger See verbracht. Nach einer Knie-OP, die gut verlaufen ist, musste ich erst wieder auf die Beine kommen. Bei Gelegenheit werde ich das Nachholen und den Geburtstag feierlich begießen.
Ansonsten bin ich fit und gesund und habe maximal kleine Wehwehchen, und wenn ich damit zu meinem Arzt gehe, sagt er mit einem schelmischen Grinsen: „Schau mal auf Dein Geburtsdatum, dann weißt du, wo das herkommt.“
Das Knie musste mal gemacht werden, denn das hat mir Probleme bereitet, vor allem beim Golf.
Ja, dem Recklinghäuser Wirte-Ehepaar Marpe sei Dank! Zu meinem 70. Geburtstag schenkten sie mir einen Schnupperkurs, und der hat mir sehr gefallen. Seither spiele ich Golf, und seit meiner Betriebsaufgabe sogar drei- bis viermal pro Woche in einer kleinen, netten Runde – immer morgens. Das macht mir viel Spaß!
27,2.
Mit einer 18er-Zeit, würde ich sagen – gemessen an den heutigen Leistungen. HdF [Anmerkung Red.: hdF = hinter der Flagge] ist es jedenfalls nicht (lacht).
Nein, sie spielt lieber Tennis. Das macht sie mehrmals die Woche und hält sich so fit und gesund. Aber wir verbringen viel Zeit miteinander, und es ist schön, diese gemeinsame Zeit zu haben. Wir sind 56 Jahre verheiratet und sie war immer an meiner Seite, in allen Höhen und Tiefen. Und jetzt lassen wir es uns gemeinsam gutgehen.
Mit Pferden habe ich direkt nichts mehr zu tun. Bis vor ca. vier Jahren habe ich noch für den Stall Oberdorf trainiert, und im Sulky saß ich zuletzt am 10. Mai 2022, das war in einem Ponyrennen in Dinslaken. Da landete ich irgendwo im Mittelfeld und wäre vermutlich zu Fuß schneller gewesen – das war richtig lustig! Aber ich bin und bleibe ein leidenschaftlicher Beobachter des Sports.
Sowohl als auch. Im Internet schaue ich regelmäßig: Ich gucke die deutschen Rennen, verfolge deutsche Pferde im Ausland und die größeren Rennen in Frankreich und Schweden.
Die Rennbahn besuche ich zu besonderen Veranstaltungen, wie dem Derby und der Breeders Crown in Berlin, dem Bild-Renntag in Gelsenkirchen oder dem großen Preis von Deutschland in Hamburg. Am 16. April werde ich nach Karlshorst fahren und dort einen Renntag besuchen, den mein langjähriger Besitzer und Freund Klaus-Volker Stolle mitsponsert.
Vor zwei Jahren war ich zuletzt im Ausland auf einer Rennbahn, und zwar in Solvalla, da hatte der Rennverein ein Rennen für alte Hasen wie mich ausgeschrieben. Bei dieser Gelegenheit traf ich alte Wegbegleiter wie Stig H. Johansson, der das Rennen gewann, Olle Goop und Berndt Lindstedt – das war ein freudiges Erlebnis. Die Rennbahn in Solvalla ist beeindruckend, genau wie der schwedische Trabrennsport.
Es ist kein Geheimnis, dass der deutsche Trabrennsport in schwierigen Zeiten steckt. Zu meiner aktiven Zeit gab es allein im Westen fast jeden Tag eine Rennveranstaltung. Montags Dinslaken, dienstags Mönchengladbach, donnerstags Gelsenkirchen, freitags Recklinghausen, samstags Dinslaken und sonntags Gelsenkirchen oder Recklinghausen. Dazu haben noch München-Daglfing, Straubing, Hamburg und die beiden Berliner Rennbahnen veranstaltet. Das hat sich leider verändert. Heutzutage gibt es weniger Highlights, die aber immer noch die Attraktivität des Sports zeigen!
Ich glaube, es ging schon vor über 20 Jahren los und nahm dann schleichend seinen Lauf. Es kam damals viel zusammen: Wirtschaftlich lief es in Deutschland nicht mehr rund, das Internet kam, und die Menschen wetteten lieber von zuhause oder bei den Buchmachern als auf der Rennbahn. Außerdem gab es Konkurrenzprodukte, die durch das Internet aufkamen. Und was viele nicht auf dem Schirm haben: Wir haben angefangen, die Rennen für Pferde aller Länder zu öffnen. In Holland kam es schon ein paar Jahre vor uns zu einer Krise, und die Pferde konnten dort nichts mehr gewinnen. Die Holländer hatten aber immer gute Pferde. Und als diese dann bei uns in allen Rennen laufen durften und zuvor im eigenen Land kaum Gewinnsumme aufgenommen hatten, sind die locker an unseren vorbeigelaufen. Da kamen welche mit 400 Euro Gewinnsumme, die locker auch bis 12.000 Euro starten hätten können – das war nicht gut für den deutschen Sport und unsere Besitzer. Versteh mich nicht falsch, der holländische Trabrennsport ist großartig, ich schätze diesen sehr, und er hatte schon immer exzellente Trainer und Fahrer. Die Gewinnsummen der Pferde passten nur zu diesem Zeitpunkt nicht zu unseren. Auch der Einfluss von Ladbrokes zu dieser Zeit hat sowohl in Holland als auch bei uns mehr Schaden als Nutzen gebracht.
Was aber nichts bringt, ist nun alles schlechtzureden, wir müssen nach vorne schauen.
Wir haben noch gute Leute im Sport und auch gute Pferde. Was das Team um Michael Nimzcyk auf die Beine stellt, ist großartig – da ziehe ich meinen Hut vor. Stall Gramüller, Thorsten Tietz, Rudi Haller, Victor Gentz, Josef Franzl, Thomas Panschow und einige andere sind auch auf hohem Niveau. Was fehlt, ist die Breite – bei den Trainern, Fahrern, Besitzern und Startpferden. Und neue Begeisterte für den Sport natürlich.
Da bin ich überfragt. Vermutlich gibt es nicht die eine Stellschraube, die man drehen muss und am Ende geht´s wohl in erster Linie ums Geld – wir leben vom Wettumsatz. Ist viel Geld da, wird der Sport attraktiver.
Das ist ein guter Punkt – sowas könnte vieles verändern. Es gibt – aus meiner Sicht – viel zu viele Wettarten, die alle unattraktiv sind, weil sich das Geld zu sehr verteilt. Die Leute müssen etwas gewinnen können. Die Schweden und die Franzosen machen es ja vor mit den Großwetten V75 und Quinté – das sind die Wetten, auf die alle anspringen.
Ich weiß, dass es vor Jahren auch im schwedischen Trabrennsport große Probleme gab. Dann hat sich der Staat eingeschaltet und die Fäden in die Hand genommen. Dadurch ist die ATG entstanden, eine zentrale Vermarktung des Pferderennsports. Seither ist alles top-organisiert und der Sport im Aufwind.
In Deutschland können wir das schwedische Modell nicht kopieren, in der Politik hat der Trabrennsport keine Lobby. Vielleicht müssen alle näher zusammenrücken und sich etwas Gemeinsames überlegen, der HVT, die Rennvereine aber auch die großen Investoren im Sport. Begeisterung ist doch vorhanden.
Absolut! Das geht doch in anderen Ländern auch. In Hamburg-Horn sollte ein gemeinsames Projekt starten, das klang verheißungsvoll. Ich weiß aber nicht, ob das weiterverfolgt wird.
Nur selten, ich bin schon zu lange raus. Aber ich habe noch eine Funktion im Vorstand des Bundesverbandes der deutschen Trabertrainer (BDT). Dort war ich viele Jahre Vorsitzender und habe das Amt im Jahre 2020 an Roman Matzky übergeben. Brandaktuell gibt es etwas zu verkünden: Wir planen die Änderung unserer Satzung. Bisher ist es so, dass Mitglied im BDT die regionalen Trainervereine sind; diese entsenden Delegierte zu den Versammlungen des BDT. Das wollen wir ändern: Jeder Berufsfahrer und Trainer, der im Trabrennsport tätig ist, soll persönliches Mitglied unseres Verbandes werden können, und im Rahmen des Hamburger Renntages am 13. Mai möchten wir diese Änderung verabschieden. Ziel ist, dass mehr Mitglieder die Möglichkeiten bekommen, sich einzubringen. Um noch weiterzugehen, wir möchten dazu anregen, dass mehr Aktive mitgestalten und ihre Vorstellungen zur Schaustellen.
Das liegt im Auge des Betrachters; dazu kann ich nichts sagen, außer, dass mein Pferd im Ziel häufig die Nase vorne hatte (lacht). Ich denke, ich konnte die Pferde ganz gut motivieren.
Nein. Pferde müssen gern laufen!
Ich hatte viele starke Rivalen. Die Menge an guten Trainern und Fahrern war enorm, allein im Westen. Da war zunächst Eddy Freundt, dann Horst Bandemer, Rolf Dautzenberg und zuletzt Heinz Wewering, um nur die erfolgreichsten zu nennen. Dazu die Konkurrenz aus den anderen Regionen. Aber es war immer fair; auf der Bahn waren wir Konkurrenten, die sich nichts geschenkt haben und abseits der Bahn sowas wie Freunde, die sich gegenseitig unterstützt haben.
Das war der Derbysieg 1984 mit Athos Duke, weil er so unerwartet kam. Dazu eine lustige Geschichte: Mein guter Freund Rainer Kraudelt kaufte Athos Duke erst eine Woche vor dem Derby; ich konnte ihn lediglich etwas joggen und kennenlernen, dann kam schon der Derby-Renntag. Peter Kraus (Gestüt Straßlach), der Vorbesitzer von Athos Duke, sagte mir, dass Athos Duke noch nie vorm Sulky ging und ich einen Longshaft [Anm. der Red.: Spezieller Rennwagen] brauche. Ich hatte aber keinen und lieh mir einen beim Trainerkollegen Wilhelm Voigt.
Nachdem ich Athos Duke damit als Zweitplatzierter für das Finale qualifizierte, kam Gerhard Biendl zu mir in den Stall und sagte: „Mid so am Wong hod no niemand a Derby gwonna!“ Ich antwortete: „Ich will das auch nicht“, spannte ihn im Finale vor meinen Rennsulky, bin auf Warten gefahren, und er ist über Gegner wie Indira Pit, Perfekt Nevele und Speedy Soma hinweggelaufen, die allesamt eine große Laufbahn folgenließen – und Athos Duke war der Außenseiter, der die Favoriten geärgert hat.
Zu meinen schönsten Siegen gehören aber auch die Derbysiege mit Cecilia 1991 (Stutenderby) und Rambo Corner 1992, der Sieg mit Brendy im Grand Premio d´Europa in Mailand 1988 und der Derbysieg von Nu Pagadi 2008 – von mir trainiert, gefahren von Thomas Panschow.
Das stimmt, das war überraschend (lacht)! Aber wir hatten schon ein sehr gutes Gefühl in diesem Jahr, und deshalb konnte Thomas offensiv zu Werke gehen. Er hat alles richtiggemacht!
Das war ein großartiges Gefühl. Ich konnte bis zur Geraden warten, und er lief einfach drüber weg. Weißt Du, das war ja folgendermaßen: In Front war Ferris, auch ein Pferd aus dem Stall von Heinz Wewering, und im Sulky saß Thomas Panschow, der zu dieser Zeit bei mir beschäftigt war. Und der wollte oder sollte unbedingt die Führung behalten und ließ Mauritz nicht vorbei. Aber die Order an Thomas kam nicht von mir (lacht); ich glaube der Besitzer hatte Thomas Panschow engagiert und ihm gesagt, er soll vorne bleiben, denn da geht das Pferd am besten.
(Lacht laut) Das war so! Rosita Brammann [Anmerkung der Red.: Züchterin und Besitzerin von Rambo Corner] war sehr optimistisch und gut vorbereitet (Apfel). Die ganze Familie hat viel für den Sport getan – eine echte Pferdefamilie. Rosita Brammann ist ja die Tochter von Kurt Hörmann, einem der ganz Großen des Sports. Aber auch ihr Ehemann Hans-Werner Brammann war ein großer Pferdemann. Er war es, der Rambo Corner trainierte und formte, und dem deshalb ein ganz großes Lob gebührt. Ich war nur der Fahrer.
Ja, das kann man so sagen. Brendy war einmalig, er hat mich viele Jahre begleitet. Brendy war durchgehend ein Ausnahmepferd, das jedes Jahr große Siege eingefahren hat – sowohl zweijährig als auch zehnjährig. Auch Brendy stand nicht bei mir, er wurde von Mitbesitzer Franz Klein in der Senne (bei Bielefeld) trainiert, dem ich ein großes Kompliment aussprechen möchte – Brendy war immer top-vorbereitet!
… und in New York beim International Trot. Das lief aber unglücklich, da kam es zu einem Sturz vor mir, und wir waren die Leidtragenden. Auch das Derby mit Brendy lief nicht rund, da sprang er mir im Endkampf. Doch ein Jahr später gewannen wir dann den Gran Premio in Mailand, eine meiner schönsten Erinnerungen. Was mich besonders fasziniert hat, war unsere Teilnahme am Elitloppet. Die Vorstellungsparade der Fahrer mit unseren Fahnen, die Stadionatmosphäre – da bekomme ich heute noch Gänsehaut.
Das ist eine fiese Frage, die ich diplomatisch beantworten möchte. Talent hatten sie alle, sie waren aber sehr unterschiedlich. Gerhard Holtermann war nicht so erfolgreich als Fahrer, dafür als Trainer umso mehr. Er hatte leider sehr oft mit großen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, die ihn sehr zurückgeworfen haben. Ich habe großen Respekt davor, dass er immer wieder aufgestanden ist und heute noch aktiv ist.
Thomas und Thorsten sind grundverschieden. Thomas hat eine sehr ruhige Hand und bildet eine starke Verbindung zu den Pferden; die Pferde pullen bei ihm so gut wie nie. Ich freue mich sehr, dass er wieder erfolgreich ist, denn er ist ein exzellenter Fahrer.
Das ist Thorsten auch, aber er ist ein anderer Typ: Er ist viel härter. Und, er macht sich viele Gedanken außerhalb der Rennen. Thorsten wollte früher schon alles ganz genau wissen, und dass ein oder andere wusste er auch schon besser (lacht). Thorsten gehört zu den Besten im deutschen Sport.
Na klar, sehr gern!